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Einführung

Die Bücher sind uns Nahrung für das geistliche Leben. In der Einsamkeit liest man nicht, um sich über Neuigkeiten zu unterrichten, sondern vielmehr, um in stillem Frieden den Glauben zu vertiefen und das Gebet zu fördern. (aus Kap. 21 der Ordensregel der Kartäuser in der heutigen Fassung) Die Bibliothek der ehemaligen Kartause Prüll bestand seit der Übernahme der vormaligen Benediktinerabtei durch den eremitischen Orden der Kartäuser bis zur Auflösung des Ordenshauses im Zuge der Säkularisation 1803. Sie diente durchgängig als Studienbibliothek für den Konvent der Mönche, der im Idealfall aus 12 Priestermönchen, zeitweise jedoch nur aus acht oder elf Mönchen bestand. Sie stand jedoch immer im Interesse von Stiftern und Donatoren, sowie des bayerischen Landesherren, und war im Einzelfall für die geschichtlich Forschenden ihrer Zeit zugänglich. (Hartmann Schedl; Matthias Mittner; Clemens Oefele) Sie stellt ein interessantes Fallbeispiel der vielen, in der Säkularisation aufgelösten Bibliotheken dar, deren Bestände weit zerstreut wurden und zu großen Teilen verloren gingen. Diese sind nur auf dem Wege eingehender Provenienzforschung wiederauffindbar, teilweise auch anhand alter Verzeichnisse und Aufstellungen verifizierbar. So wurde hier für den Gesamtbestand der Versuch unternommen, die erhaltenen Bände aufzufinden oder aus der Überlieferung zu verifizieren, und die Bibliothek virtuell wieder erstehen zu lassen. Damit dient sie als historischer Bestand ganz allgemein der Forschung. Im Besonderen dient sie der Ordensforschung, der Vertiefung vorhandener, sowie dem Gewinn neuer Erkenntnisse speziell zum Orden der Kartäuser. Sie bereichert nun erneut die historisch bedeutende Bibliothekslandschaft Regensburgs. Ein Fokus liegt auf den Vorbesitzern der Bücher sowie auf den Altsignaturen, soweit nur irgend greif- und verifizierbar. Der Erkenntnisgewinn für die Provenienzforschung ist umfassend, gewinnt man doch erstmals einen Einblick in den Gesamtbestand einer Bibliothek über die Vielzahl der Bände hinaus. Überdies liegt eine historische Systematik, am konkreten Beispiel faßbar, bei größtmöglicher Vollständigkeit vor. Als Studienbibliothek für einen kleinen Konvent von Priestermönchen umfaßte die Bibliothek ursprünglich etwa 4.5000 buchbinderische Einheiten, den Bibliotheken der Kartausen Ittingen (bei Frauenfeld/ CH) und Roermond (Niederlande) oder der Benediktinerabtei St. Vitus in Gladbach (dem heutigen Mönchen-Gladbach in NRW) entsprechend. Im Rahmen des virtuellen Wiederaufbaus konnten 1.740 Bände bzw. Titel wieder greifbar gemacht werden, oftmals die Digitalisate der einschlägigen Bände eingebunden werden. Die Digitalisate können direkt aus dem Verzeichnis heraus eingesehen werden. Zahlreiche Bände Prüller Provenienz wurden im Rahmen der seit 2008 laufenden Digitalisierung des Altbestandes in der Bayerischen Staatsbibliothek in München digitalisiert. Die Bestände aus der Bibliothek des Johannes-Turmair-Gymnasiums Straubing und der Staatlichen Bibliothek Regensburg wurden im Digitalisierungszentrum der Universitätsbibliothek Regensburg digitalisiert.
Dr. Rosa Micus

Geschichtlicher Abriß 1484 bis 1803

Zur Zeit der Aufnahme der Neugründung in den Ordensverband 1484 befand sich die Bibliothek in einem eigenen Bibliotheksraum „An grossen und klainen puchren cxxxiiij pucher in der rechten grossen stubn“; einzelne Bände waren verliehen und lagen in Mönchszellen. (Verzeichnis im Zusammenhang mit der Einsetzung eines Weltgeistlichen bei den Benediktinern Ende April 1484. Bayer. HStA; Kurbayern Äusseres Archiv 4132, f. 29 v – 30 v.) Der Raum lag, nach der Reihenfolge dieses Verzeichnisses, in der Nähe von Kirche und „Newem Lager“. Im „altem lagrer“ befanden sich Truhen für diejenigen Bücher, die dem liturgischen Gebrauch dienten, und Gerätschaften für den Abt. Der Bibliotheksraum lag also in der Nähe der Sakristei. Der Abt des Benediktinerklosters Sponheim (bei Bad Kreuznach/ Rheinland-Pfalz), Johannes Trithemius fand bei seinem Eintreffen dort 49 Bücher vor; als er das Kloster verließ, waren dort etwa 2000 Bücher (darunter zahlreiche HSS) vorhanden. (Arnold, Klaus: Johannes Trithemius (1462-1516) (2. überarb. Aufl.) Würzburg 1991 (=Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 23); S. 58 u. 69.) Franciscus Jeremias Grienewaldt (1581–1626) gibt in seiner „Ratispona oder Summarische Beschreibung der uhralten namhafften stadt Regenspurg“ 1615 mit der „Bibliothec in der Carthauß zu Prüel“ die älteste zusammenhängende Beschreibung. Unter dem Prior Georg Fasel (1600 – 1615) und mit kräftiger finanzieller Unterstützung des in erzherzoglich-österreichischen Diensten stehenden Frhrn. v. Paar wurde „im Creuzgang ein zierliche schöne neue Bibliothec mit schönen gestellen und lebhafftige gemählern und Bildnussen der alten Kirchenlehrer zugericht“ (Grienewaldt, Summarische Beschreibung; als Quelle zit nach: BZB; SWS Ms. 15b. – In: Micus, Rosa: Die Bibliothek der ehemaligen Kartause Prüll bei Regensburg (1484–1803) 2013 (=Anal. Cart. 186/2) S. 111, 112.) 1697 begann man nach Obrist, Memoriale Prüelense (1654 – 1715 geführt) mit einem Neubau für die Bibliothek: „Man hat nunmehro noch immer in bauen fortgefahren, wird nun auch würklich die Neue grosse Bibliothec samt der daran stossenden garten (…) ausgefihret“ Für das Jahr 1699 heißt es: „Von der Bibliothec will ich hier noch nichts melden, weillen solche noch nit außgebauet, sondern bloß dermahln nur mit Stokhader arbeit und Mahlereyen außgezieret ist, wie dan auch noch nit mit fenstern versehen under dem Vorwand, es müsse ausdrokhnen. (Feuchtigkeit vom Grund her)“ (Obrist, Memoriale Prüelense (Ms) in 4 Teilen, Teil 1, 2 u. 4 erhalten; T 1 (=SBR Rat.ep. 1), f. 174 v und f. 191 r.) In einem Eintrag für 1698 erwähnt Obrist den Namen „Carlon“ – Carlone-Stuck und Leinwandgemälde für die Kartause, u.a. für die Kirche. (vgl. Berndl, Carlone 1696–1714 in: FS Prüll (1997), S. 215.) 1690 waren die Bücher kurzzeitig in Zelle M untergebracht. Als diese renoviert wurde, kamen sie in die Sakristei. (Obrist, nach Montgelas, Zelle B in: FS Karthaus-Prüll (1997), S. 111.) Obrist sagt über die Zuwächse unter Prior Sigismund Dietz (1677 – 1719): “unterdessen doch hat der H. P. Sigismundus nit ermangelt für beschaff und erkauffnus mehrer und Neuer buecher sorg zutragen, dan er hat solche biß dato in deme erzeigt, das diese Bibliotheca Zeit seiner 42jährigen regierung mit mehr dan dritthalbdausent büechern vermehret worden: wie er dan mit ser villen buchhandlern inn und ausser des landts correspondieret hat.“ (Obrist T. 1 (bis 1735 geführt); f. 191 r/v.) Der österreichische Bibliotheksreisende Adalbert Blumenschein beschrieb gegen Ende des alten Reiches den Saal: „Er (der Bibliotheksaal) befindet sich zu ebener Erde, und von aussen erblickt man oberhalb der Thür die Worte: Sunt Libri. (…) Die Gemälde der an den Wänden auf 16. Säulen herumgeführten Gelerie stellen verschiedene Umstände des Klosterlebens vor, und zwischen der Stukatorarbeit der Decke bemerkt man die vornehmste Scribenten aus diesem Orden. Und in der Form (dem Stuckrahmen) der Tür gegenüber bewundert man an einer grossen in eine Rähm eingefasten Tafel den mit vielen Volk umgebenen Creuztragenden Heilande von einem sehr künstlichen Pinsel. (…) Die Anzahl der Bücher darf sich wohl gegen 7000: Bände erstrecken, (…)“ (Beschreibung der Bibliothek „Brühl“ von Adalbert Blumenschein um 1780 ÖNB; Cod Ser. N. 2808, f. 235 r. – In: Micus, Rosa: Die Bibliothek der ehemaligen Kartause Prüll bei Regensburg (1484–1803) 2013 (=Anal. Cart. 186/2) S. 113, 114.) Die Bibliothek der Kartause Prüll (1484 – 1803 (Benediktiner seit 997)) wurde von Rosa Micus mit 1.740 Einheiten, davon 226 handschriftliche Titel, rekonstruiert. Ihr Gesamtbestand wird auf ca. 4.500 Bände geschätzt. Micus, Rosa: Die Bibliothek der ehemaligen Kartause Prüll bei Regensburg (1484 – 1803) Salzburg 2003 (=Anal. Cart 186); S. 35-37. Neuausgabe mit erweiterten historischen Verzeichnissen (1803, 1595 und 1610). Salzburg, 2013 (=Anal. Cart. 186/2) – Dies.: Bild und Buchschmuck in den Büchern der Prüller Kartause. Ideal und Wirklichkeit. S. 115-125 in: Ganz, Jürg; Früh, Margrit (Hg.): Das Erbe der Kartäuser. Akten des III. Internationalen Kartäuserkongresses in der Kartause Ittingen vom 1.-5. Dezember 1999. Warth 2000; Nachwort S. 124, 125. Zum Vergleich: Die Bibliothek des Benediktinerklosters St. Vitus in Gladbach (974 – 1802) konnte mit 118 HSS und 515 Drucken rekonstruiert werden; ihr Gesamtbestand wird auf 4.200 Bände geschätzt. Winkelmann-Giesen, Christine; Bayer, Clemens: Der Bücherbesitz des Klosters St. Vitus in Gladbach von der Gründung bis zur Auflösung des Klosters (974-1802) Köln 1998 (2 Bände; 1. Bd. in 2 Teilbänden) Die Bibliothek der Kartause Prüll wurde nach der Auflösung des Hauses 1803 abgebrochen, ihr Bestand aufgelöst.
Dr. Rosa Micus
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